Dienstag, 4. Juli 2017

Sport, Korruption und Criminal Compliance


 Seine Teilnahme an einer Expertentagung zu den Konsequenzen der §§ 265c, 265d StGB für Sportler, Vereine und Verbände hat kurzfristig auch der jüngst abgesetzte Vorsitzende der Fifa-Ethikkommission Hans-Joachim Eckert zugesagt

Augsburg/KPP – "Besonders freut es mich, dass spontan Hans-Joachim Eckert, der vor wenigen Woche von der Fifa handstreichartig abgesetzte Chef der Fifa-Ethikkommission, seine Teilnahme zugesagt hat", so der Augsburger Strafrechtler Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Kubiciel, der für den 7. Juli 2017 eine Reihe ausgewiesener Experten zu einer Tagung über "Sport, Korruption und Criminal Compliance" an die Juristische Fakultät der Universität Augsburg eingeladen hat.

Anlass für die Veranstaltung dieser Tagung ist das Inkrafttreten der Straftatbestände gegen Sportwettbetrug und Spielmanipulation (§§ 265c, 265d StGB) im April 2017. "Sie stellen eine tiefgreifende Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Sportler, Vereine und Verbände dar", erläutert Kubiciel. Ein Match Fixing – bei dem Spieler Geld, einen Vertrag bei einem anderen Verein oder andere Vorteile erhalten, um ein Spiel mit Absicht zu verlieren – könne fortan nicht nur strafrechtliche Konsequenzen für die daran beteiligten Personen haben, sondern auch zu Bußgeldern für Verbände und Vereine bzw. deren Leitungspersonen führen.

Für Vereins- und Verbandsvertreter ebenso wie für Rechtspraktiker und Rechtswissenschaftler

Die Auswirkungen der neuen Straftatbestände diskutieren auf der anstehenden Augsburger Tagung Praktiker, Vereins- und Verbandsvertreter sowie Wissenschaftler. Neben Kubiciel selbst, der als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Bundestages Stellung zu den neuen Vorschriften genommen hatte und an seiner Fakultät u. a. eine Forschungsstelle für internationales Verbandsrecht leitet, sprechen zunächst die Rechtsanwälte Dr. Markus Rübenstahl, Frankfurt a. M., und Michael Reinhart, München, in einführenden Kurzvorträgen über "Sportwettbetrug" und "Strafbare Spielmanipulation".

Paneldiskussion mit ausgewiesenen Sportrechts- und Korruptionsexperten

Im Mittelpunkt steht dann eine Paneldiskussion zu den  Auswirkungen der neuen Straftatbestände auf Sportverbände und -vereine. An ihr beteiligen sich der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München Reinhold Baier in seiner Funktion als als Vizepräsident des Bayerischen Fußballverbandes, Rechtanwalt Sven Diener (Düsseldorf), Oberstaatsanwalt Dr. Christoph Ebert (Staatsanwaltschaft Memmingen), Rechtsanwalt Markus Schollmeyer (München) und – als Moderator – Dr. Jan F. Orth, Vorsitzender Richter am Landgericht Köln sowie eine der führenden Köpfe des deutschen Sportrechts.

Von der Fifa im Mai 2017 handstreichartig abgesetzt: Joachim Eckert als "Überraschungsgast"

"Dass neben diesen für unser Thema ausgewiesenen Experten kurzfristig nun auch noch Hans-Joachim Eckert seine aktive Teilnahme zugesagt hat, verleiht unserer Tagung zusätzliche Aktualität und Attraktivität", sagt Kubiciel. Er verweist dabei nicht nur auf Eckerts kürzliche Absetzung als Chef der Fifa-Ethikkommission, der über mehrere Jahre hinweg u. a. Verfahren gegen Blatter, Platini und Beckenbauer geführt hat. Der pensionierte Vorsitzende Richter am Landgericht München habe während seiner dortigen Zeit vielmehr schon diverse spektakuläre Korruptionsskandale jenseits des Sports – u. a. die sog. „Siemens“-Korruptionsaffäre – verhandelt und gelte als einer der führenden Korruptionsexperten Deutschlands.

Termin/Anmeldung
Die Tagung "Sport, Korruption und Criminal Complance" beginnt am kommenden Freitag, dem 7. Juli 2017, um 16.00 Uhr im Hörsaal 2001 der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg (Gebäude H, Universitätsstraße 24, 86159 Augsburg). Die Tagung ist öffentlich, sie steht allen Interessierten offen. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung an inge.rystau@jura.uni-augsburg.de wird gebeten.

Programmflyer zum Download:

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel
Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht, Strafprozessrecht, Medizin- und Wirtschaftsstrafrecht / Forschungsstelle internationales Verbandsstrafrecht
Juristische Fakultät der Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon 0821/598-4561

Was die anderen Hochbegabten anders machen – ein Beispiel aus der Wirtschaft für die Politik


Foto: Ralf Voigt


Man erkennt sie.

Es sind die kleinen Einsteins, die Picassos und die Mozarts. Sie lesen schon mit sechs Jahren „The New York Times“, korrespondieren mit fünf Jahren in Mandarin und spielen mit vier Jahren die Spatzenmesse in C-Dur. Später studieren sie dann bereits mit 14 an einer Uni und werden jüngster Professor oder jüngste Professorin.

Man kennt sie.

Dann gibt es noch die anderen.

Ihre Begabung ist nicht so offensichtlich. Oder: offensichtlich nur für Eingeweihte. Für Kennerinnen und Kenner. Wahrscheinlich stehen sie nicht in einem Labor. Ob sie mit dem Pinsel umgehen können? Seien Sie tapfer: Wohl eher nicht so. Ob sie eine Stradivari zu schätzen wissen? Hm.

Und doch haben sie ihre Begabung. Erkennbar wie gesagt fast nur für Eingeweihte.

Ein Beispiel: Ich war Mitglied in einem Verband, der das Wort „Wirtschaft“ in seinem Namen trägt. Es ging um ein Thema, das alle Menschen bewegt. Wirklich alle. Wirklich jeden. Es ging um Politik. Und um den Anlauf zu einem neuen Gesetz. Man diskutierte. Und fragte sich, wie man denn überzeugend argumentieren könnte.

Ich erwähnte den Gedanken einer Befragung. Sie kennen das: In jeder grösseren Stadt stehen diese Interviewer auf der grossen Einkaufsstrasse und wollen wissen, welche Zahnpasta, welches Waschmittel, welche Automarke Sie bevorzugen. Strasseninterviews nennen wir das. Wir, das sind meine Kolleg*innen aus der Marktforschung und ich. Ich hatte damals ein Institut für Markt- und Kommunikationsforschung. Unsere Klienten aus der Politik und Wirtschaft waren bekannt und angesehen und wir waren stolz darauf, für sie forschen zu dürfen.

In meinem Verband war das bekannt.

Ja. Sagte man: Eine Befragung auf der Strasse ist ein überzeugendes Argument. Wir – wer auch immer „wir“ sein sollte – wir stellen uns auf die Strasse und befragen die Menschen. Und dann geben wir – und das war der Sinn der Sache – das Ergebnis an den OB der Stadt. Einer von meinen Kollegen im Verband meinte dann: Ob wir wohl 50 Menschen dazu bewegen können, mit uns zu reden?

Wie, sagte ich: 50 Menschen?

Ja. Sagten die anderen. 50 Menschen wäre eine tolle Sache.

Klar sind 50 Menschen eine tolle Sache. Aber: Wie wollen wir einen OB mit den Stimmen von 50 Menschen motivieren, ein neues Gesetz in Gang zu bringen? Nach einer halben Stunde hatte man sich auf 100 Menschen geeinigt. Mit dem Zusatz: Ob wir das wohl schaffen werden?

Warum so zaghaft?

Die Jungs und Mädels, die hier zusammen sassen, waren die Menschen, die täglich über Millionen entschieden. Ihre Denkweisen waren nicht 100 oder 1.000. Es waren 1.000.000 und mehr!

Mir war klar, dass ich meine lieben Kolleginnen und Kollegen jetzt schockieren musste. Nicht weil ich Schocks mag – aber ich musste ihnen schon sagen, wie so etwas in der Realität funktioniert. Dass man an den verantwortlichen Stellen – sorry – 100 Menschen als Beweis nicht gelten lassen wird. Man wird schmunzeln und zur Tagesordnung übergehen.

Noch bevor ich den Gedanken: „Wie sag‘ ich es das denn jetzt?“ zu einem Satz modellieren konnte, war es raus:

1.000 INTERVIEWS!
1.000 Interviews?

Das Entsetzen war gross. Nur unser Präsident war begeistert. Und dann ging das los, was zumeist los geht, wenn ein Hochbegabter – eine Hochbegabte – eine Idee und einen Weg vor Augen hat: GEHT NICHT! FUNKTIONIERT NICHT! SCHAFFEN WIR NICHT! WIR SIND DOCH NICHT VERRÜCKT! WER SOLL DAS DENN ALLES ZAHLEN?

Ich hörte mir das eine Stunde an, während ich das Konzept schrieb, die Umsetzung des Konzepts plante und einen Entwurf für den Fragebogen entwarf. Unser Präsident hatte mich aus den Augenwinkeln beobachtet und rief mich auf – nach vorne zu kommen und die Einzelheiten zu präsentieren. Gesagt. Getan.
Wir fanden über 50 Mitglieder aus dem Wirtschafts-Verband, die mitmachten. Manager*innen, die ich mit meinem Team für diesen Einsatz schulte. Es waren wohl die Interviewer*innen mit den höchsten Stundenlöhnen, die hier und heute ehrenamtlich auf die Strasse gingen und sehr mutig die Menschen nach ihrer Meinung befragten.

Um Mitternacht hatten wir 1.037 Interviews geschafft. Alle von meinen Forscherkollegen und mir kontrolliert. Alle perfekt. Es war ein harter Job – aber selten habe ich ein Team von fast 100 „Mitarbeiter*innen“ so begeistert arbeiten gesehen.

Am nächsten Morgen wurde noch einmal kontrolliert. Und dann gingen die Fragebögen ins Rechenzentrum zur Uni. Ich schrieb dazu einen Bericht für die Präsentation. Mein Team zeigte einen bewundernswerten Einsatz. Und so konnte ich meiner Assistentin auch nicht die Bitte abschlagen, die Ergebnisse beim OB präsentieren zu dürfen.

Der OB schien sehr zufrieden. Und so wanderten unsere Ergebnisse weiter „nach oben“. Und so wurde aus unserer Idee der Beweis, dass die Menschen diese Verbesserung ihres Alltags wirklich wollten.

Schliesslich wurde aus dem Beweis ein Gesetz in Deutschland, das jedem Menschen den Alltag etwas besser macht. Zur Freude der Menschen.
Nein, so faszinierend wie ein Picasso ist dieses Gesetz nicht.

Aber es erleichtert seitdem allen Menschen ihr Leben. Und das Tag für Tag in Deutschland.

Wenn Sie Unternehmer*in sind: Gründen Sie einen Think Tank mit Ihren Hochbegabten und allen, die mutig sind und gross denken und handeln können. Dann sind Sie nicht nur Ihre Probleme los. Sie haben auch die Chance, die Welt ein bisschen besser machen zu können.

Was sagte John F. Kennedy in seiner Antrittsrede am 20. Januar 1961 in Washington, D.C.:

„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt (…) fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“[1]

Lilli Cremer-Altgeld
Mobil 0049 1575 5167 001